Kulturschock Mexiko: Mein Alltag als Lehrerin an einer deutschen Botschaftsschule – Mexiko Teil 3

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Dies ist der dritte Teil meiner Reportage über mein dreijähriges Leben in Mexiko. Im ersten Teil schrieb ich von meinen Erfahrungen, wie man sich mit seiner Gastfamilie verständigt, wenn weder die deutsche noch die englische Sprache als gemeinsam gesprochene Sprache zur Verfügung steht. Im zweiten Teil berichte ich von meiner ersten Erfahrung als Freiwilliger und wie es ist, mit 61 Katzen zusammenzuleben.

Nun möchte ich über meinen Kulturschock in Mexiko schreiben. Ich betone hiermit, dass ich nicht die Absicht habe, irgendein Schulsystem schlecht zu reden oder eine Praktik als unprofessionell darzustellen. Lediglich berichte ich hier über alles, was ich erlebt und gesehen habe. Eine Meinung könnt ihr euch davon selbst bilden.

Viel Freude beim Lesen und schreib mir doch gerne am Ende in die Kommentare, ob du bereits Ähnliches erlebt hast oder gar ob und welchen Kulturschock du hattest, wenn du schon einmal in Mexiko gewesen sein solltest.


Dieser Artikel ist Teil einer Artikelserie: 


Wie alles begann: Manchmal findet dich Hilfe, bevor du sie suchst

Während meines zweiten Aufenthalts im Katzentierheim in Jocotepec (dort, wo ich meinen ersten Freiwilligendienst gemacht habe, im zweiten Teil berichte ich darüber) kam in mir der Wunsch auf, noch länger in Mexiko zu bleiben und auch hier zu arbeiten.

Mein Visum würde in ein paar Wochen ablaufen. Glücklicherweise bekommen Touristen meistens eine Aufenthaltserlaubnis von 180 Tagen, aber die sind ja auch irgendwann mal um.

Also sprach ich mit meiner Freundin, recherchierte stundenlang im Internet, schaute mir internationale Portale an und überlegte, welcher Arbeit ich hier in Mexiko wohl als Ausländerin mit wenig Spanischkenntnissen nachgehen könnte.

Das hört sich jetzt vielleicht für dich nicht besonders vielversprechend an, aber ich war mir zu dem Zeitpunkt bereits sicher, dass ich etwas finden würde.

Ein paar Wochen vorher machte ich mir einen Termin bei einer Hautärztin, um mir ein paar lästige Leberflecken entfernen zu lassen. Am vereinbarten Termin kam dann für mich das Unglaubliche. Die Ärztin entpuppte sich als Deutsche, welche ihrer Kinder auf die deutsche Botschaftschule schickt. Sie sagte mir einfach so, sollte ich länger bleiben wollen, dass ich mich bei diesen Schulen bewerben sollte, da immer Muttersprachler gesucht würden.

Gesagt. Getan.

Nach mehreren Bewerbungsgesprächen, welche sich eher wie ein ganz normales Gespräch über alle möglichen Themen anfühlten, bekam ich eine Stelle im Kindergarten in der deutschen Botschaftschule in Mexiko Stadt.

Für mein Arbeitsvisum musste ich dann nochmal nach Los Angeles zum mexikanischen Konsulat fliegen. Ich war mit zwei weiteren Mädels unterwegs. Natürlich war ich die Einzige, die 30 Minuten mit dem amerikanischen Officer sprechen musste, weil er mich immer wieder gefragt hat, warum ich hier sein und ob ich die amerikanische 🤯 Arbeitserlaubnis beantragen möchte….. Ich musste gefühlt 10x argumentieren, dass ich hier sei, um meine mexikanische Arbeitserlaubnis abzuholen….

Uber, Waschsalon & Sauerteigbrot – mein ganz normaler mexikanischer Alltag

Witzigerweise hatte ich bereits eine Wohnung, obwohl ich noch gar nicht in Mexiko Stadt war. Die Direktorin kannte einen deutschen! Vater, der gerade sein zweites Haus renoviert hatte und nun einzelne Zimmer vermietet. Ich war nämlich ehrlicherweise sehr besorgt darüber, dass ich keine Wohnung finden würde in so einer riesigen Stadt. Letztendlich wohnte ich in einer WG, das erste halbe Jahr alleine und später zogen noch zwei weitere, junge Mexikaner ein, welche aber beide Englisch sprachen und so hatten wir eine schöne gemeinsame Zeit.

Praktischerweise war meine Wohnung nur 40 Minuten von der Schule mit dem Schulbus entfernt. Morgens wurde ich abgeholt und nachmittags auch wieder nach Hause gebracht. Die Sicherheit der Schüler wird an teuren Schulen sehr groß geschrieben. Es gab auch immer so etwas wie Polizisten/Sicherheitsmänner am Eingang, welche die Autos und Besucher kontrollierten.

Ansonsten war es eigentlich sehr einfach, mich zurechtzufinden. Der nächste große Supermarkt war ca. 20 Minuten zu Fuß entfernt, für den Rückweg nahm ich meistens einen Uber, weil es mir dann mit Einkauf oft zu schwer wurde. Kleine Läden gab es genügend in meinem Viertel und ebenso ein Waschsalon, denn in meinem Haus gab es keine Möglichkeit zum Waschen. Meine Nachbarn gingen sogar mit mir hin und erzählten den Damen dort, dass ich nur wenig Spanisch spreche und wenn ich meine Wäsche waschen möchte, dass sie mir dann doch bitte helfen 🤗 Das haben die dann auch immer gemacht ☺️. Ich glaube eine Ladung mit Trockner hat 100 Pesos (ca. 5 Euro gekostet).

Irgendwann hat sogar ein Bäcker in meiner Nähe einen kleine Laden aufgemacht, der deutsches Sauerteigbrot verkauft hat. Da war ich dann natürlich oft Kunde… 😂😂 Ich kam natürlich mit dem Bäcker ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass seine Mutter aus Deutschland nach Mexiko gezogen ist, dort seinen Vater kennenlernte und dann in Mexiko blieb. Er war auf der gleichen Schule, für die ich nun arbeiten würde. Spannend!

Mein persönlicher Kulturschock in Mexiko

Bevor unser erster Arbeitstag starten würde, hatten wir eine Woche vorher eine kleine Einführung in die Schule und wir lernten unsere Kolleginnen und Kollegen kennen. Einen ersten Einblick in die „Klassenzimmer“ und Materialien haben wir auch bekommen. Zur Erinnerung: Ich wurde als Deutschlehrerin für den Kindergarten angestellt.

Dann kam endlich der langersehnte erste Arbeitstag.

21 Kinder.

1 Erzieherin.

1 Deutschlehrerin.

Der Kindergarten hatte 8 verschiedene Gruppen und jede hatte dieselbe Zusammenstellung.

Der Tag im Kindergarten war extrem getaktet:

  • Die Kinder kamen meistens alle bis 8 Uhr/8.15 Uhr an. Anschließend gab es einen Morgenkreis. 45 Minuten lang auf einem Stuhl sitzen! In der Zeit sollte ich die ersten Deutscheinheiten machen. Tagesablauf, Wetter, Tag, Monat, etc. mit den Kindern üben.
  • In meiner Gruppe gab es niemanden, der Deutsch sprechen konnte. Das war anfangs sehr hart, weil die Kinder 0 verstanden haben und mich auch nicht kannten, ich ihnen aber gleich etwas beibringen sollte….
  • Gegen 9 Uhr gingen dann alle Kinder ins Freispiel. Da sollten die Kinder in andere Klassenräume selbstständig gehen. In jedem Raum wurde eine andere Aktivität angeboten: Sport, Basteln, Backen, Spiele, etc.
  • Eine Stunde später gingen die Kinder wieder zurück in ihre eigenen Klassenräume. Dann gab es Frühstück. Jedes Kind hatte seine eigene Brottasche mit eigentlich gesundem Essen mit.
  • Anschließend gab es eine Pause und wir gingen dann oft in den Garten, wo die Kinder frei spielen konnten. Anschließend machten wir dann oft eine Einheit mit rechnen oder erste Schreibübungen. Manchmal bastelten wir auch, weil irgendein Fest anstand.
  • Manchmal war die Luftverschmutzung so enorm, dass wir nicht rausgehen durften. An diesen Tagen teilten wir meistens die Gruppe und ich habe mit der Hälfte eine IntensivEinheit Deutsch gemacht. Die andere Gruppe arbeitete dann in ihrem Vorschulbuch. Nach einer halben Stunde wurde getauscht.
  • Gegen 13 Uhr verabschiedeten wir uns nochmal im Abschlusskreis und brachten danach die Kinder zu ihren Schulbussen, die sie nach Hause bringen würden.

Jetzt habt ihr einen kleinen Überblick bekommen, wie mein Alltag im Kindergarten in Mexiko an der deutschen Botschaftschule gewesen ist.

Nun möchte ich erklären, warum genau das mein persönlicher Kulturschock gewesen ist:

Aus Deutschland kenne ich Kindergärten als Orte, an denen Kinder vor allem spielen, entdecken und sich frei entfalten dürfen. Natürlich gibt es auch dort feste Strukturen und Tagesabläufe, die den Kindern Orientierung geben. Doch insgesamt steht das spielerische Lernen im Vordergrund – Lernen durch Erleben, Ausprobieren und Miteinander.

In Mexiko habe ich den Kindergarten dagegen ganz anders erlebt. Ehrlich gesagt, kam er mir anfangs eher wie eine kleine Schule vor. Der Tag war in 45-Minuten-Einheiten unterteilt, mit kurzen Pausen dazwischen und einer längeren Pause am Mittag. Gearbeitet wurde meist in Heften oder Arbeitsbüchern, und es gab nur begrenzte Zeiten für freies Spiel – meist am Morgen oder draußen im Garten.

Viele Aktivitäten waren Wochen im Voraus geplant, oft im Hinblick auf bestimmte Feste oder Veranstaltungen. Spontane Projekte oder Ideen, die aus den Interessen der Kinder heraus entstanden wären, fanden kaum Platz. Am Ende des Jahres gab es sogar einen kleinen Deutschtest für die Vorschulkinder, bei dem sie von anderen Erzieherinnen geprüft wurden. Für manche Kinder, die schüchtern waren oder sich in einer fremden Sprache nicht trauten zu sprechen, war das natürlich eine große Herausforderung. Rücksicht darauf wurde allerdings nicht immer genommen.

Fazit

Für mich war das alles zunächst ein richtiger Kulturschock – nicht, weil es „falsch“ war, sondern weil es so grundlegend anders war als das, was ich aus Deutschland kannte. Ich musste erst einmal verstehen, dass Bildung und frühkindliche Förderung in jedem Land ganz unterschiedlich gelebt werden. In Mexiko steht häufig das strukturierte Lernen im Vordergrund, schon im Kindergarten – etwas, das ich so gar nicht gewohnt war.

Ehrlich gesagt, hat es mich anfangs ziemlich überfordert. Ich hatte das Gefühl, dass kaum Zeit blieb, einfach mal durchzuatmen oder spontan etwas Neues auszuprobieren. Alles war genau durchgeplant – wann gebastelt wird, was gebastelt wird, welche Farbe wir benutzen und wozu das Ganze am Ende dienen soll. Selbst die kreativen Aktivitäten wirkten dadurch oft wie kleine Schulaufgaben.

Ich glaube fest daran, dass Kinder Kreativität, Ruhe und freie Zeit brauchen, um sich wirklich entfalten zu können. Wenn alles vorgegeben ist – von der Bastelidee bis zur Antwort im Arbeitsheft –, bleibt wenig Raum für Fantasie oder dafür, dass ein Kind einfach mal träumen darf. Daher konnte ich nicht anders, als mich zu fragen, wo in diesem eng getakteten Alltag Platz bleibt für Neugier und für kleine Entdeckungen zwischendurch bleibt.

Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht, wie unterschiedlich unsere Vorstellungen davon sein können, was „normal“ ist. Ich habe erst hier gemerkt, wie sehr mich meine eigene Kultur geprägt hat – und dass man manchmal wirklich erst in einem anderen Land stehen muss, um das zu begreifen.

Mir ist wichtig zu betonen, dass all das natürlich meine ganz persönlichen Eindrücke sind. Jeder erlebt Dinge anders – und was für mich zunächst ungewohnt oder befremdlich war, kann für andere völlig normal oder sogar positiv sein. Ich möchte mit meinen Erfahrungen kein System kritisieren oder bewerten, sondern einfach ehrlich teilen, wie es sich für mich angefühlt hat.

PS: Natürlich hatte ich in dieser Schule auch wunderschöne, einzigartige Momente und habe unglaublich viel gelernt – über die Kinder, über das Land und auch über mich selbst. Aber in diesem Artikel geht es eben um meinen persönlichen Kulturschock, der nun mal ein Teil dieser Erfahrung war.

Hast du auch schon mal in einem anderen Land gearbeitet und dabei deinen ganz persönlichen Kulturschock erlebt? Schreib’s mir gerne in die Kommentare!

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