tlaxcala

Geheimtipp Mexiko: Diesen Ort kennt kein Schwein – aber ich habe dort gelebt

Mexiko City. März 2022.

Ich steige aus dem Flugzeug und spüre sofort diese Mischung aus Müdigkeit und dem Wissen: Jetzt gibt es kein Zurück. Du hast es wirklich gemacht. Du bist aus Deutschland ausgewandert. Wohin? In die weite Welt. Beziehungsweise erstmal nach Mexiko.

Noch in Deutschland organisierte ich mir einen Schlafplatz über Couchsurfing für die ersten Tage. Das war alles, was ich geplant hatte.

Mit dieser Zusage und meinem naiven Glaube, dass alles schon irgendwie funktionieren wird, saß ich da also am Flughafen und versuchte besagten Kontakt zu erreichen…..

Ich überlege kurz, einfach zu ihr zu fahren. Doch es ist erst fünf Uhr morgens. Ich kenne sie nicht. Und ehrlich gesagt, ich kenne nicht mal mich in dieser Situation.

Also suchte ich mir erstmal ein günstiges Hotel in der Nähe und versuchte mich vorerst zu sortieren und etwas zu schlafen.

Villa de Guadalupe hieß das Stadtviertel, wo ich meine erste Nacht verbrachte

Am nächsten Tag war dann alles geklärt. Sie hatte verschlafen, alles halb so wild.
Ich zog also ein. 2 Tage später zog ich dann auch wieder aus.

Meine erste und auch meine letzte Couchsurfing-Erfahrung

Es war nicht schlimm, nur… irgendwie fremd. Mein Host war nett, wirklich nett. Sie hat mir Tipps gegeben, wollte mir helfen, war offen. Aber ich wurde einfach nicht warm mit ihr. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass sie mich ständig beobachtet. Sie hat mich oft so komisch gemustert, ohne dass es böse gemeint war – aber es hat mich verunsichert.

Was mir besonders unangenehm war: Immer wenn ich den Raum gewechselt habe, ist sie mir gefolgt. Nicht aufdringlich, aber so, als würde sie immer wissen wollen, wo ich gerade bin. Ich konnte nicht richtig abschalten. Es war, als müsste ich ständig höflich und präsent sein, obwohl ich einfach nur kurz meine Ruhe wollte.

Ich hab’s später nochmal in den USA probiert – in der Hoffnung, dass es vielleicht einfach an der ersten Erfahrung lag. Aber auch da war es ähnlich. Man ist ja meist nur zwei, drei Tage bei jemandem, und natürlich will man freundlich sein. Die Hosts wollen einem oft etwas zeigen, sich austauschen, was ja schön ist – aber für mich wurde es anstrengend. Ich hatte ständig das Gefühl, Erwartungen erfüllen zu müssen.

Am Ende habe ich gemerkt: Couchsurfing ist einfach nicht mein Ding. Es ist nicht schlimm, und es gibt sicher viele, für die das genau das Richtige ist – aber ich brauche mehr Abstand, mehr Raum für mich. Und den habe ich da nicht.


Zum Glück kam eine Nachricht von meiner Schwägerin. Eine Freundin hätte Bekannte in Mexiko, die Deutsch lernen wollen. Sie hätten Platz und würden sich freuen, wenn ich bei ihnen bleiben würde.
Also machte ich mich auf – nach Tlaxcala.

Mein Host meinte: „Tlaxcala ist so klein, dass viele Mexikaner glauben, die Stadt existiert gar nicht.“
(Spoiler: Sie existiert. Und wie.)

Ich nahm also einen Uber zum Busbahnhof in Mexiko Stadt bis nach Tlaxcala. Es dauerte nur knapp drei Stunden und kostete mich 200 Pesos. Also ca. acht Euro.

Die Buslinie habe ich mithilfe der App Rome2Rio gefunden und die Preise waren auch richtig angegeben. Am Busbahnhof selber fragte ich mich durch, bis ich den richtigen Bussteig gefunden hatte. Ein Übersetzer war übrigens nicht notwendig, weil die Leute immer gleich jemanden für mich gesucht haben, der Englisch sprechen konnte.

Fun Fact: Ich hatte kein Bild von der Familie, wusste also nicht, wie sie aussahen.
Aber kein Problem, dachte ich mir. In so einer kleinen Stadt falle ich als blonde Europäerin auf wie ein Flamingo im Hühnerstall – also werde ich gefunden!

Gefunden wurde ich recht schnell :))

Empfangen wurde ich dann wie eine verschollene Cousine. Elvia, ihr Mann Miguel und ihre drei Kinder – Samuel, Valentina und der kleine Johan – nahmen mich auf, als wäre es das Normalste der Welt, eine fremde Deutsche in ihr Leben zu lassen.

Elvia war die Einzige, die ein bisschen Deutsch sprach und mit ihr habe ich mich dann natürlich meistens unterhalten. Ich brachte ihr ein bisschen Deutsch bei und dafür lernte ich mexikanische Ausdrücke, die ich lieber nicht direkt meiner Oma erzählen würde.

Abends las ich manchmal den Kindern vor – aus mexikanischen Bilderbüchern mit bunten, wilden Geschichten – und Valentina korrigierte mich regelmäßig, wenn ich ein Wort falsch aussprach.
(Wenn du jemals dein Selbstbewusstsein testen willst – lies mit Akzent vor einer Fünfjährigen.)

Ich war insgesamt drei Monate in Tlaxcala.

Der Tag begann hier immer früh. Viel früher, als ich es kannte.
Gebetet wurde noch vor dem Frühstück, dann ging jeder seinen Aufgaben nach. Einer arbeitete draußen auf dem Feld, die anderen bereiteten das Mittagessen vor und unterrichteten die Kinder.

Manchmal fuhren wir auch in die Stadt, oft besuchten wir die Familie und aßen dort wieder ein spätes Frühstück. (Habe ich schon erwähnt, dass Mexikaner gerne essen?) An anderen Tagen war einfach nur Alltag – mit Kochen, Waschen, Hausaufgaben und Gesprächen im Garten.

Gegessen wurde dann wieder spät am Abend. Da gab es dann Conchas, weiche, süße Brötchen.

Da meine Gastfamilie am Sonntag stets in die Gemeinde (Kirche) ging, war ich natürlich auch eingeladen. Ich hab mich natürlich direkt in den ersten Tagen gefragt, wie ich die Predigt überhaupt verstehen soll. Zufällig – oder gibt’s sowas wie Zufall wirklich? – konnten der Pastor und sein Sohn Deutsch sprechen.

Der Pastor arbeitet bei Volkswagen. Als seine Kinder noch klein waren, wurde er mal für eine Weile nach Deutschland versetzt, und so kam er zum ersten Mal mit der Sprache in Kontakt. Später ging auch sein Sohn nach Deutschland und hat dort richtig viel Deutsch gelernt. Er hat mir dann die Predigt übersetzt (ohne ihn wär ich wohl komplett verloren gewesen).

Hier in Mexiko ist noch etwas anders: Pastor oder Pastorin ist kein richtiger Beruf. Keiner bekommt dafür Geld. Du machst das quasi neben deinem Hauptjob, einfach so aus Überzeugung.

Da Daniel ungefähr in meinem Alter ist und auch Deutsch spricht, haben wir ziemlich viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben oft über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten unserer Heimatländer geredet oder darüber philosophiert, wie man Armut bekämpfen und vorbeugen kann. Außerdem hat er mir Städte in der Nähe gezeigt – Cholulla, Atlixco und Puebla – die echt wichtig für die mexikanische Geschichte sind.

Die Leute in der Gemeinde waren supernett. Einige haben mich sogar zu sich nach Hause eingeladen, damit ich eine Weile mit ihnen und ihren Familien leben kann. Für mich war das eine richtig tolle Erfahrung. Ich erzähl dir auch, warum.

Meine zweite Gastfamilie in Mexiko (Mutter, Vater, Kind)

Die zweite Familie, bei der ich war, hatte eine Tochter – ein schüchternes Teenager-Mädchen, das ihr Bestes gab und auf Englisch mit mir geredet hat.

Der Vater verkauft Versicherungen und kann oft von zu Hause aus arbeiten, wenn er will. Die Mutter ist Hausfrau. Sie wohnen in einer kleinen, süßen Wohnung mitten im Stadtzentrum von Tlaxcala. Beide bringen ihre Tochter morgens zur Schule und holen sie auch gemeinsam wieder ab. Während der Vater arbeitet, haben wir zusammen ein traditionelles Mittagessen gekocht, sind einkaufen gegangen oder waren spazieren.

Die Tochter bekam richtig viel Aufmerksamkeit und alle ihre Wünsche wurden erfüllt. Ihr Zimmer sieht aus, als wäre es für eine Prinzessin gemacht 🙂 Ich hab die Zeit dort sehr genossen. Und in diesen Tagen hab ich sogar auch alles bekommen, was ich wollte :))

Zum Beispiel einen Kakao, der kalt angerührt und getrunken wird. Der Kakao wird direkt aus der Kakaobohne gewonnen, nach einem besonderen Verfahren – keine Ahnung wie genau, aber er war sehr lecker. Ein halber Liter kostet 40 Pesos, also etwa 1,90 Euro.

Außerdem durfte ich Atole probieren – ein typisches Maisgetränk aus Mais und Milch oder Wasser. Das gibt’s in verschiedenen Geschmacksrichtungen: Keks, Schokolade, Vanille, Zimt, Erdbeere, …..

Ich muss aber ehrlich sagen: Es war auch ein bisschen langweilig. Ich hab Elvias Kinder vermisst – die sind immer am Rumalbern gewesen und brachten alle zum Lachen.

Nur die Tochter konnte ja ein bisschen Englisch sprechen, die Eltern sprachen nur Spanisch. Trotzdem hat die Kommunikation echt gut geklappt. Sie haben versucht, einfache kurze Sätze mit mir zu sprechen, und ich hab viel verstanden. Es ist total spannend, mit Leuten zusammenzuleben, die eine andere Sprache sprechen.

Meine dritte Gastfamilie in Mexiko (junges Ehepaar)

Meine nächste Gastfamilie hatte noch keine Kinder. Sie ließen sich gerade ein Haus bauen, welches sie mir voller Stolz zeigten. Es war allerdings noch nicht fertig, weil Häuser in Mexiko nur so weit gebaut werden, bis das Geld alle ist. Dann wird gewartet, bis wieder Geld da ist und dann wird weiter gebaut.

Wir haben viele coole Dinge erlebt. Am ersten Abend sind wir auf eine Feria nach Puebla gefahren – so eine Art Kirmes. Ich wollte aber auf keinem Fahrgeschäft fahren. Die sahen irgendwie rostig aus, und ich hatte keine Lust, mich darauf zu verlassen, ob die sicher sind oder nicht.

Es gab auch einen Food Market, wo man typische Snacks aus allen mexikanischen Staaten probieren konnte. Ich hab was richtig Tolles ausgesucht, aber ich weiß nicht mehr, wo das genau herkommt: Ein Waffelteig, gebraten wie Crêpes. Belegt mit Nutella und Käse, dann zusammengerollt. Boah! Das war mega lecker. Wer hätte gedacht, dass Nutella und Käse so gut zusammenpassen?

Am nächsten Tag fuhren wir nach Val’Quirico. Das ist so eine Mini-Stadt, die italienisches Flair haben soll. Und das mitten in Mexiko. Unglaublich! Man kann dort sogar in einem Hotel übernachten. Viele Mexikaner machen dorthin ihre Hochzeitsreise – Italien ist halt zu weit und zu teuer.

Es gab auch Stallungen mit Pferden, aber die durften wir nicht anschauen.

Diese Gastfamilie konnte Englisch, was für mich super war. So konnte ich meinen Wortschatz erweitern und mein Hörverständnis üben. Manchmal sprechen Mexikaner nämlich, auch wenn sie eine andere Sprache sprechen, so schnell, dass ich kaum was verstehe.

Dort hab ich zum ersten Mal schwarzes Eis gegessen – das schwärzeste Eis, das ich je gesehen hab. Leider hat es nicht besonders überzeugend geschmeckt.

Meine vierte Gastfamilie in Mexiko (Mutter, Vater, 2 Kinder)

Zuletzt war ich bei der Familie des Pastors aus der Gemeinde in Tlaxcala. Wie gesagt, Pastor und Sohn sprachen Deutsch – für mich natürlich mega praktisch!

Die Familie wohnt in Puebla in einem großen, modernen Haus. Ich hatte mein eigenes Zimmer mit Bad und sogar einen Balkon.

Die Tochter ist seit Geburt beeinträchtigt, konnte aber – gegen alle Erwartungen der Ärzte – laufen und sprechen lernen. Ihr Zimmer ist wie das einer Prinzessin, mit unzähligen Schuhen und Handtaschen!!!, die sie mir stolz gezeigt hat.

Das Leben mit erwachsenen Kindern ist ruhig. Sehr ruhig. Aber wir konnten spontan irgendwo hinfahren und abends auch mal länger draußen bleiben.

Einmal sind wir zum Africam Safari Park gefahren. Dort leben Tiere, die aus einem Zoo/Zirkus oder von Privat gerettet wurden. Ein bisschen fühlte sich das an wie in Jurassic Park, weil du mit deinem eigenen Auto durch den Park gefahren bist und nur an einer oder zwei Stellen aussteigen durftest.

Nach diesen besonderen Erfahrungen bei den anderen Familien blieb ich noch ein paar Tage bei Elvia, bevor ich einen Nachtbus Richtung Jalisco, meinem nächsten Ziel, nahm.

Schon in Deutschland hatte ich mich bei Workaway angemeldet. So kam ich in Kontakt mit einer Frau aus Deutschland, die in Jalisco ein Tierheim für Straßenkatzen führt und immer wieder Freiwillige sucht, die ihr bei der Arbeit mit den Katzen helfen. Immerhin sind es ja auch 60 Stück.

Also buchte ich einen Bus nach Jocotopec, Jalisco. Die Fahrt dauerte neun Stunden und kostete 1300 Pesos, etwa 55 Euro. Ich wollte nachts fahren, damit es im Bus nicht zu heiß wird und ich schlafen kann. So verging die Zeit auch viel schneller.

Ich muss sagen: Die Reisebusse in Mexiko sind genial. Mein Sitz war breit, ich hatte viel Beinfreiheit und es war super bequem! Die Lehne ließ sich so weit zurückstellen, dass ich fast lag. Und das Beste: Die Toiletten waren sauber und rochen nicht!


Jocotepec in Jalisco war also mein nächstes Ziel. Was ich dort erlebe, ist total verrückt – mit sowas hab ich nicht gerechnet…

Mein persönliches Fazit

Was mich wirklich bewegt hat, ist, wie Sprache Brücken baut – auch wenn sie holprig ist oder nur aus einfachen Worten besteht. Trotzdem schafft sie Nähe, öffnet Türen und Herzen. Dieses Verstehen, auch ohne perfekte Worte, fühlt sich wie ein kleines Wunder an.

Ich habe gesehen, wie unterschiedlich Familien sein können – manche eher lebhaft und trubelig, andere ruhig und strukturiert. Jede auf ihre Weise. Was mir bei allen aufgefallen ist: Es gibt viele Arten, ein Zuhause zu gestalten. Kein richtig, kein falsch – einfach unterschiedliche Lebensmodelle.

Was für mich besonders hängen geblieben ist: die Art, wie Menschen aufeinander zugehen. Freundlich, interessiert, offen. Diese kleinen Gesten, die zeigen: Du bist willkommen. Das habe ich sehr geschätzt und nehme ich mit.

Elvia und ihre Familie

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